Herr Professor Rösch, Sie haben in einer Studie gemeinsam mit Berliner Fachärzten in den letzten Jahren rund 12 000 Darmspiegelungen von Berliner Patienten analysiert. Was hat diese “Becop”-Studie gebracht?
Wir haben untersucht, von welchen Faktoren die Qualität von Darmspiegelungen abhängt. Qualität, das heißt vor allem die Quote der durch die Untersuchung entdeckten Adenome. Das sind Wucherungen im Darm, die eine Vorstufe für Krebs sein können und deshalb entfernt werden müssen.
Viele Experten glauben, dass die Qualität besonders von der Anzahl der durchgeführten Behandlungen abhängt, also nach dem Motto je mehr, desto besser. Hat sich das in der Becop-Studie bestätigt?
Entgegen unserer Erwartungen konnten wir keinen Zusammenhang zwischen einer großen Anzahl der Untersuchungen pro Quartal und einer hohen Quote von erkannten Adenomen nachweisen.
Wovon hängt dann ab, wie gut ein Gastroenterologe die Untersuchung durchführt?
Offenbar ist die gute Qualität der Vorsorgeuntersuchung abhängig von mehreren Faktoren. Der Patient kann beispielsweise durch eine gute und gründliche Darmvorbereitung dazu beitragen. Dann gibt es Faktoren, die vom Arzt und andere, die vom Gerät abhängen. Zu den Arztfaktoren gehören Sorgfalt und eine regelmäßige Fortbildung: Sorgfalt ist jedoch schwer zu messen, aber vielleicht kann sie teilweise durch die so genannte Rückzugszeit bestimmt werden, also jener Zeit, die der Arzt benötigt, um das Endoskop wieder aus dem Körper zu ziehen. Denn das ist die Phase der eigentlichen Betrachtung der Darmschleimhaut. Braucht der Arzt dafür weniger als etwa sechs Minuten, besteht die Gefahr, dass er Adenome, also Vorstufen eines Darmkrebsgeschwürs, übersieht. Bei unserer Studie lagen die Zeiten übrigens über dieser Grenze. Die verwendeten Geräte haben ebenfalls einen gewissen Einfluss: Je moderner das Gerät, desto besser erkennt man damit Adenome. Allerdings wird ein Unterschied erst messbar, wenn man eine Gerätegeneration mit der übernächsten vergleicht.
Sollte der Patient also danach fragen, wie alt das Endoskop ist oder wie viele Jahre der Arzt schon Darmspiegelungen durchführt?
Wie gesagt, der Einfluss ist da, aber wie stark er sich auswirkt, das ist noch ungeklärt. Bis dahin lautet mein Rat: Einen guten Arzt erkennt man eher daran, wie viel Zeit er sich für seinen Patienten nimmt und wie gut er über seine Arbeit aufklärt.
Sie befragen im Rahmen der Becop-Studie auch die Patienten, wie sie die Untersuchung empfanden und ob es Komplikationen gab.
Ja, diese Befragung fand jeweils nach mindestens zwei Wochen bei allen Patienten statt, mit einer sehr hohen Beantwortungsquote. Neun von zehn Patienten nahmen daran teil. Drei Viertel von ihnen empfanden die Untersuchung als gut akzeptabel, etwa fünfzehn Prozent als “etwas unangenehm”. Und die Rate von Komplikationen durch die Untersuchungen – also etwa Blutungen, Kreislaufzusammenbrüche oder schwere Verletzungen der Darmwand – lag mit 0,48 Prozent sehr niedrig. Nicht alle diese in der Studie gemessenen Komplikationen werden allerdings in der Routinedokumentation erfasst.
Becop läuft seit drei Jahren. Werden sie die Studie fortsetzen?
Ja, wir werden Becop fortsetzen. Denn die wichtigste Frage können wir erst nach einer Langzeitbeobachtung von mindestens fünf Jahren beantworten: Sinkt durch die höhere Anzahl von entdeckten Adenomen tatsächlich auch die Zahl von Krebserkrankungen. Das ist jetzt möglich. Wir haben dazu gerade einen neuen Forschungsantrag gestellt