Krankheitsbild
Erklärung:
Bulimie ist eine Essstörung, in der große Mengen an Nahrung in kürzester Zeit aufgenommen und wieder erbrochen werden. Dabei verspüren die Betroffenen ein Lustempfinden. Ähnlich der Magersucht versuchen sie, eine Gewichtszunahme unter anderen mit Abführmitteln zu verhindern. Allerdings verlieren sie nicht wirklich an Körpergewicht, sondern sind großen Gewichtsschwankungen ausgesetzt. Dadurch kann der Nähr- und Mineralstoffhaushalt nachhaltig beeinträchtigt werden. Durch häufiges Erbrechen kann es bei Bulimie zu folgenschweren Herzrhythmusstörungen, Muskellähmungen und Schäden des Verdauungssystems kommen.
Symptome:
Selbst engen Angehörigen und Partnern fällt eine Erkrankung meist sehr spät auf. Das orgienhafte Fressen und Brechen wird heimlich zelebriert. Zudem können die Betroffenen über längere Zeiträume ihr Bedürfnis unterdrücken. Das erste äußere Anzeichen einer möglichen Erkrankung sind große Gewichtsschwankungen. Aufgrund der teuren Lebensmitteleinkäufe verfügen die Betroffenen meist über wenig Geld und neigen zu Diebstählen. Zudem ziehen sich Betroffene aus ihrem sozialen Leben zurück, haben quälende Schuldgefühle und Depressionen.
Ursachen:
Oft handelt es sich um ein vielfältiges Bündel von Ursachen: familiäre, soziale und persönliche Konflikte, die über das Essverhalten ausgetragen werden. Dabei spielen die Eltern eine wesentliche Rolle, denn die Kinder verinnerlichen die Beziehungsqualitäten zwischen Vater und Mutter meist unbewusst. "Die Wünsche und Ängste der Eltern werden zu Moderatoren im Leben der Kinder", sagt Wolfram Keller, Chefarzt der Abteilung Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit internistischem Schwerpunkt der Kliniken im Theodor-Wenzel-Werk in Berlin-Zehlendorf. Meist bricht Bulimie dann aus, wenn die Konflikte zwischen hohen Ansprüchen und der anders gearteten Wirklichkeit nicht mehr lösbar zu sein scheinen. Das Bedürfnis nach Anerkennung und Liebe führt manchmal zu einer starken Orientierung an anderen Menschen, unter Umständen bis zur Selbstaufgabe. Die Betroffenen haben deswegen auch Schwierigkeiten, Konflikte offen und direkt zu lösen. Ein wichtiges Thema ist die eigene Sexualität und der sich wandelnde Körper, vor allem bei den jungen Frauen. Im Gegensatz zu Magersüchtigen sind Bulimiker "modellorientierter", orientieren sich also am Schönheitsideal. Ehemals Magersüchtige zählen zu der Risikogruppe.
Zahlen:
Etwa 35.000 Berliner leiden an Essstörungen. Bulimie vor Eintritt in die Pubertät findet sich selten. Zu erstmaligem Auftreten kommt es vor allem bei jungen Frauen zwischen 16 und 19 Jahren. Zunehmend betrifft diese Erkrankung beide Geschlechter. Derzeit liegt das Geschlechterverhältnis von Frauen und Männern bei fünf zu eins.
Behandlung
Diagnostik:
Ein sehr geringer Teil der Betroffenen sucht selbst ärztliche Hilfe. Es ist bereits ein Teilerfolg, wenn die Erkrankten einen Arzt aufsuchen. Einen vollständigen Befund erheben die Ärzte durch ein Gespräch über die Krankengeschichte. Dazu gehören auch medizinische Untersuchungen wie Elektrokardiogramme, Blutanalysen, Untersuchung der Zähne und der Speiseröhre.
Therapie:
Bulimie kann ambulant und stationär behandelt werden. Der Erfolg einer Behandlung hängt im Wesentlichen von der Einsicht der Betroffenen ab, an Bulimie zu leiden. Deshalb müssen nicht nur die Essgewohnheiten therapiert werden. Der wesentliche Unterschied zur Magersucht liegt darin, dass die Ärzte versuchen, die Essanfälle zu reduzieren. Meist dauert eine Therapie mehrere Jahre. "Oft sind mehrfache Anläufe notwendig." Zunächst muss der Patient stabilisiert und mögliche zusätzliche Erkrankungen wie Herzrhythmusstörungen und Diabetes stationär behandelt werden. Im Kern der Behandlung geht es aber darum, die Betroffenen an ihre Gefühlswelt heranzuführen und sich mit ihr auseinanderzusetzen. Denn: "Nur Emotionen bewirken Veränderungen". Über Einzelgespräche und Gruppentherapien versuchen die Ärzte, frühe Ängste – zurückgehend auf belastende Erfahrungen – aufzuspüren und individuelle Konfliktlösungsstrategien zu entwickeln. Mithilfe von Bewegungs- und Konzentrationstherapie wird die eigene Körperwahrnehmung gefördert. Die Rückfallquote ist allerdings relativ hoch: bis zu 85 Prozent haben nach fünf Jahren noch vereinzelte Heißhungerattacken.
Weitere Texte zum Thema Essstörungen: Magersucht